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Entwicklung und Produktion hybrider Produkte mit FormGedächtnisAktorik

Schaffung der Grundlage für die industrielle Serienproduktion und Anwendung der Formgedächtnisaktorik (FGA) sowie Entwicklung von FGL-basierten hybriden Produkten und neuen Geschäftsmodellen.

Formgedächtnislegierungen, kurz FGL, sind Materialien, die ein einzigartiges Verhalten zeigen. Der bekannteste Werkstoff  ist hierbei eine  Nickel-Titan-Legierung. FGL können sich nach einer Verformung an ihre  zuvor eingeprägte Ursprungsform erinnern. Die Ausgangsform wird dabei vorab durch einen Glühprozess eingeprägt. In Bezug auf FGL  kann man zwischen zwei Effekten unterscheiden, dem thermischen und dem pseudoelastischen (mechanischen) Formgedächtniseffekt. Der thermische Effekt ist dadurch gekennzeichnet, dass beispielsweise eine Feder im kalten Zustand verformt wird. Diese Verformung bleibt solange erhalten, bis die Feder über eine bestimmte Schalttemperatur erwärmt wird und wieder ihre Ausgangsform einnimmt. Dabei kann die Feder eine mechanische Arbeit leisten. Technisch wird die Erwärmung auf der Grundlage der  Joul´schen Wärme durch elektrischen Strom realisiert oder erfolgt durch das Umgebungsmedium.

Die Rückverformung bei anschließender Abkühlung ist dabei vollkommen reversibel. Dieser Effekt wird vorwiegend für aktorische Aufgaben eingesetzt. Formgedächtnislegierungen besitzen  in diesem Zusammenhang  die höchste Energiedichte aller bekannten Aktorprinzipien. Ein Formgedächtnisdraht von 2 mm Durchmesser und einem Meter Länge ist beispielsweise in der Lage ein Gewicht von über 100 kg um 5 cm anzuheben. Der Draht wiegt dabei lediglich 30 g. Ein vergleichbarer Hubmagnet würde ca. 4 kg wiegen, um diese Leistung zu erbringen. Besitzt die Feder dagegen den  mechanischen Effekt, lassen sich sehr große Dehnungen mit elastischem Charakter, unabhängig von der Temperatur erreichen. Damit können reversible Verformungen mit dem 40fachen Verformungsgrad von Stahl erzielt werden. Eingesetzt wird dieser Effekt vorwiegend bei elastischen  Komponenten, wie Festkörpergelenke, bei Federelementen oder zur passiven Dämpfung von Schwingungen.

Formgedächtnislegierungen (FGL) sind Funktionswerkstoffe, welche die Fähigkeit besitzen, sich an eine zuvor eingeprägte Form zu „erinnern“. Durch mechanische Kräfte verformte FGL-Strukturen lassen sich mittels Wärme wieder in die Ausgangsform zurückführen. Die dabei auftretenden Kräfte überragen die aller anderen bisher bekannten Aktorprinzipien. Bspw. kann ein 25 g schwerer FGL-Draht eine Masse von 120 kg zyklisch bewegen. Aufgrund der hohen spezifischen Leistungsfähigkeit können FGL als Leichtbauanwendungen in vielen Bereichen zur Anwendung kommen. Trotz weltweiter Forschung haben sich FGL bisher nicht in der Praxis durchsetzen können. Das liegt vor allem an dem Fehlen standardisierter Herstell-, Verarbeitungs- und Konstruktionsmethoden für diese Legierungen. In einem Konsortium aus drei KMU und einem Lehrstuhl werden Produktions- und Entwicklungsprozesse in zwei auf FGL-basierenden Anwendungsszenarien für die industrielle Umsetzung erprobt.

Das Ziel des Projektvorhabens ist es, mit Hilfe von Experimentalanlagen zur Herstellung von Formgedächtnisaktoren, die Grundlagen für die industrielle Serienproduktion und Anwendung der Formgedächtnisaktorik (FGA) zu schaffen. Ebenso werden im Sinne ganzheitlicher Lösungen aus Sach- und Dienstleistungen (hybride Produkte) Anknüpfungspunkte für integrierte technische Dienstleistungen und neue Geschäftsmodelle untersucht, die sich z. B. aus der Regenerationsfähigkeit von FGL ergeben. Die Konsortialpartner decken dabei die Wertschöpfungskette ausgehend von Drahtzugprozess und Wärmebehandlung über Verbindungstechniken bis hin zur industriellen Anwendung ab. Auf Grundlage des tiefgreifenden Technologiewissens und des kaum vorhandenen Wettbewerbs kann mit diesem Projekt eine Technologie etabliert werden, die ein enormes Wachstumspotenzial besitzt, von dem kleine und mittelständische Unternehmen in Nordrhein-Westfalen signifikant profitieren können. Daher wird gezielt die Publikation der technologischen Möglichkeiten im Rahmen von Ausstellungen, Präsentationen und Publikationen hingewiesen. Interessierte Unternehmen aus NRW sollen so an diese neue Technologie herangeführt werden.


FG-Elemente lassen sich vielfältig einsetzen. Einige Anwendungsbeispiele sind nachfolgend aufgeführt:

  • Elektrisch aktivierte Aktoren mit linearer Stellbewegung, äquivalent zu Hubmagneten, z.B. zum Einsatz in Entriegelungssystemen
  • Thermisch aktivierte Aktoren, z.B. als Antrieb in Thermostatventilen
  • Systeme zur Kompensation von temperaturbedingten Viskositätsänderungen von Fluiden, z.B. in Hydrauliksystemen
  • Systeme zur Kompensation von thermischen Dehnungen, z.B. zur Realisierung von spielfreien Getrieben
  • Systeme zur Energierückgewinnung aus strömenden Gasen oder Fluiden bei nur wenigen Kelvin Temperaturunterschied
  • Thermisch aktivierte Verbindungselemente als Ersatz für Schrauben oder Kunststoffclips
  • Hoch elastische Elemente zum Einsatz als Implantate (Stents) in der Medizintechnik oder als Festkörpergelenke
  • Schwingungsdämpfer mit pseudoelastischem FG-Effekt, z.B. zum Einsatz in Maschinen oder Gebäuden
  • Kompakte Federelemente mit fast waagerechter Federkennlinie, z.B. in Gurtkraftbegrenzern

Das Verbundprojekt HyProFGA wird von folgenden drei Institutionen unterstützt.