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a3-Lok

Schienenfahrzeughalter müssen die Sicherheit ihrer Schienenfahrzeuge gewährleisten, wenn sie diese betreiben wollen. Dies ist u.a. im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) geregelt. Im öffentlichen Bahnnetz (Geltungsbereich der EBO = Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung) und bei den Anschlussbahnen (Geltungsbereich der BoA = Verordnung über den Bau und Betrieb von Anschlussbahnen) müssen Schienenfahrzeuge bei einer wiederkehrenden Untersuchung (Revision) gemäß Paragraph § 32 EBO alle sechs Jahre überprüft werden.

Der Umfang der Revision wird nicht durch die EBO bestimmt, sondern entspringt den „anerkannten Regeln der Technik“. Aktuell orientieren sich Instandhalter an der DIN 27201 - 1 sowie an baureihenspezifischen Instandhaltungsplänen der Hersteller, welche zeitpunkt- oder laufleistungsbezogene Wartungen vorgeben und den tatsächlichen Verschleißzustand des Bauteils nicht berücksichtigen. Durch diese Form der reaktiven und präventiven Wartung entstehen wirtschaftliche, sicherheittechnische und ökologische Ineffizienzen.

Vorausschauende Instanhaltungsstrategien (Predictive Maintenance) haben sich in jüngster Vergangenheit als Lösung zur Beseitigung der Ineffizienzen rudimentärer Wartungsformen entwickelt. Um zu Erkenntnissen über das Verhalten des betrachteten Elements zu gelangen, werden dazu unidirektional Sensordaten vom Zielsystem erfasst und ausgewertet. Einer klaren Etablierung in Form gesunkener LCC durch Anwendung dieses Prinzips steht jedoch sowohl die Ermangelung physikalisch geeigneter und kostengünstiger Sensorlösungen als auch der Komponentenfokus (i. d. R isolierte Betrachtung z.B. von Radsatzlagern) entgegen.

Ziel des Projekts ist daher die Entwicklung eines Systems zur Senkung der Lebenszykluskosten durch eine zustandsbasierte und proaktive Instandhaltung unter Gewährleistung der Sicherheit des Fahrzeugs. Basis für die Fahrzeugbeurteilung bilden dabei Metadaten – also übergeordnete Daten des Gesamtfahrzeugs, wobei die Beschleunigungsgröße als maßgeblicher Indikator im Mittelpunkt der Fahrzeugbetrachtung zur Ableitung von Komponentenzuständen steht. Den Vorteil einer derartigen Herangehensweise liegt neben einer vergleichbar leichten Erzeugung von Metadaten vor allem in der Nachrüstbarkeit eines solchen Systems zur proaktiven Wartung in Bestandsfahrzeuge.

Bisherige vorausschauende Instandhaltungsstrategien verfolgen den Ansatz, aus den im Betrieb erzeugten Daten eine Anpassung der Instandhaltungsaktivitäten abzuleiten. Um eine übergeordnet optimale Instandhaltungsstrategie für das Gesamtfahrzeug realisieren zu können, sieht dieses Teilprojekt im Sinne der Prescriptive Maintenance die Vorgabe einer Instandhaltungsstrategie als Randbedingung für den Betrieb vor. Damit folgt, konträr zu bisherigen Konzepten, der Betrieb der Instandhaltung. Wesentliche Vorgaben für die Generierung eines optimalen Instandhaltungsplanes sind die konkurrierenden Zielvorgaben der maximalen Verfügbarkeit und minimalen Budgetkosten. Das Erreichen einer dieser Zielgrößen kann auf das Ergebnis eines komplexen Optimierungsproblems zurückgeführt werden.

Die Randbedingungen dieses Optimierungsproblems stellen im Wesentlichen der geplante Betrieb (aus historischen Daten und Betreiberangaben), Kosten- und Zeitverknüpfungen enthaltener Instandhaltungsaktivitäten sowie das Verschleißverhalten des Zielfahrzeuges dar. Ergebnisgrößen des Prozesses der holistischen Instandhaltungsstrategieoptimierung sind dann Umfang und Lageparameter der einzelnen notwendigen Instandhaltungsaktivitäten.

Das tatsächliche Abnutzungsverhalten einzelner Komponenten im Gesamtsystem hängt im Wesentlichen von der Art des Betriebs ab (leicht bis schwer, selten bis häufig) und soll dem zugrundgelegten Betrieb für das Erreichen des optimalen Wartungsplans ausTeilprojekt 1 entsprechen. Unter Beachtung obig eingeführter Metadaten soll der Betrieb maßgeblich durch die Fahrzeugbeschleunigung beschrieben werden. Da bei der Aufzeichnung von Momentanwerten, insbesondere bei Berücksichtigung weiterer Meta- und ggf. Komponentendaten, schnell große Datenmengen entstehen können, ist die Entwicklung einer Kennzahl zur Reduktion der Datenmenge bei gleichzeitigem Erhalt der Aussagekraft über den Komponentenzustand Teil dieses Forschungsprojekts.

Die ermitteltete Kennzahl wird im landseitigen Landstand nicht nur für eine belastbare und reproduzierbare Dokumentation genutzt, sondern auch im Sinne eines Regelkreises als Rückmeldung aus dem Zielsystem interpretiert werden. Wird festgestellt, dass der Betrieb des Fahrzeugs mit der Ziellereichung des optimierten Wartungsplans im Konflikt steht, kann der Betrieb entsprechend situativ angepasst werden. Die situative Anpassung beinhaltet neben einer Anpassungshandlung ebenfalls die Prüfung, ob ebendiese im Rahmen des Betriebs überhaupt zulässig ist. Hinter der Auswahl und Prüfung der geeignetsten Handlungsoption verbirgt sich die Lösung eines hochdynamischen Optimierungsproblems, dessen Komplexität sich vor allem aus den Randbedingungen zur Ermittlung und Bereitstellung der situativen Optimierungspotenziale ergibt.

Die Umsetzung der Anpassungshandlung findet auf Fahrzeugebene statt. Ein allgemeiner Handlungsbefehl des Leitstands muss durch die dezentrale Intelligenz des Fahrzeug auf eine tatsächliche Anpassungshandlung heruntergebrochen werden. Der Spielraum für den proaktiven Eingriff in den Betrieb des Schienenfahrzeugs reicht von einer Anpassung von Komponenteneigenschaften und -einstellungen, wie beispielsweise der Justierung von Motorkennlinien bis hin zum konkreten Eingriff in den Antriebsstrang. Auf diese Weise können z.B. gemäßigte Bremsverläufe zur Verringerung der Fahrzeugbelastung realisiert werden. Insbesondere letzt genannter Aspekt zeigt, dass die Thematik der Prescriptive Maintenance eine Schnittstelle zum (teil-)automatisierten Fahren besitzt.

Dieses Forschungsvorhaben wird durch das BMWI im Rahmen der Förderlinie „Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand gefördert.
Förderkennzeichen: ZF4060716SS7